Einleitung

Angefangen hat die Idee zu diesem Buch mit einer Reise in den Südlichen Teil Israels, den Negev, im Oktober 1996. Dies war mein erster Aufenthalt in einer Wüste, und er war sehr beeindruckend. Die Wüste ist ein Ort extremer Situationen, und das nicht nur in klimatischer Hinsicht. Wenn man Aussagen über die Wüste hört, dann heißt es meistens: "Dort ist es sehr heiß, tot, einsam und langweilig. Es gibt dort einfach überhaupt nichts. Na ja, vielleicht Sand und ein paar trockene Büsche. Nicht mal begraben sein will ich da." Ich habe dort jedoch ganz andere Eigenschaften vorgefunden. Natürlich ist es dort tagsüber sehr heiß, aber die Wüste ist ansonsten ausgesprochen vielfältig. Je nach landschaftlicher Region und Situation existiert dort ein Farben- und Formenspiel phantastischen Ausmaßes. So gibt es dort die verschiedensten Strukturen von Landschaft, Felsen, Steinen, Pflanzen, Tieren, etc. Wüste drückt einerseits Ruhe und Einsamkeit aus, ist aber andererseits auch sehr lebendig. Und das nicht nur für das künstlerische Auge. Dort existiert zum Beispiel eine reiche Tierwelt, die dem Menschen oft nicht bewußt ist, da sie hauptsächlich erst nachts aktiv wird, weil sie ihren Lebensrythmus an Gegend und Klima angepaßt hat. Tagsüber ist es zu heiß und erst nachts kühlt es ab. Die Wüste hat also ein großes Kontrastprogramm zu bieten: Sie ist heiß und kalt, tot und lebendig, eckig und rund, hart und weich, farblos und farbig, dynamisch und statisch, und vieles mehr. Diese Vielfalt war eine sehr beeindruckende Erfahrung und Grund genug, mich damit näher zu befassen. Wenn wir in den Medien etwas von Israel erfahren, geht es fast immer um den israelisch-arabischen Konflikt, der zwar ein sehr großes und kompliziertes, aber bei weitem nicht das einzige Problem dieses Landes ist. So existieren nicht weniger problematische Spannungen auch zwischen den unterschiedlichen jüdischen Gruppierungen, eine hohe Arbeitslosenquote, eine noch immer vorhandene Inflation, etc.. Das Israel aber auch sehr schöne Seiten hat, wird selten erwähnt. Mich hat besonders der landschaftliche Aspekt der Reise fasziniert, aber auch das alltägliche Leben der Menschen, die aus den unterschiedlichsten Ländern und Kulturen stammen, sehr verschiedene Ansichten zu Politik, Religion, Traditionen und Lebensgewohnheiten haben und dort miteinander oder oft eher nebeneinander leben. Was mich als Europäer sehr interessierte, war der Anteil der arabischen Kultur in diesem Land, die uns häufig fremd, aber gerade deshalb auch besonders reizvoll ist. Der Schwerpunkt in diesem Buch soll der künstlerische Aspekt meiner Reise sein, meine Eindrücke und Erlebnisse in diesem Teil Israels, die ich in Bilder umgesetzt habe. Trotzdem wird in den Texten auch einiges über die verschiedenen Landschaften und Leute zu erfahren sein. Hier ein wenig zur Geschichte dieses Gebiets: Der Negev, was auf hebräisch "Wüste" oder "trockenes Land" bedeutet, ist dazu etwa zwischen 10 000 bis 7500 v. Chr. geworden. Im späten 2.Jahrhundert lebten dort drei Volkstämme, im Norden die Kanaanäer, im Süden die Amalekiter, die um 1000 v.Chr. von David ausgerottet wurden und im Osten die Edomiter. Vom 1.Jahrhundert v.Chr. an begannen die Nabatäer, von ihrer Hauptstadt Petra aus, den Negev zu besiedeln und landwirtschaftlich zu nutzen, was ihnen durch ausgeklügelte Bewässerungsmethoden auch gelang. Dadurch entstanden Städte, wie Mamshit oder Avdat, das auch eine bedeutende Zwischenstation und Kreuzungspunkt der Handelsstraßen wurde, da die Nabatäer weitreisende Handelsleute waren, die ihre Waren bis an die Küste Kleinasiens und sogar über das Meer bis zum Golf von Neapel brachten. Nach dem Einbruch der Araber, die in anderen Ländern viel für die Bewässerung getan haben, verfielen die Bewässerungsanlagen. So wurde der Negev für über 1000 Jahre trockenes Land, das nur von Beduinen bewohnt wurde. Eine Veränderung kam mit den jüdischen Siedlern, die sich dort zu Beginn des 20.Jahrhunderts niederließen. Einen entscheidenden Anstoß dafür, die Wüste wieder fruchtbar zu machen, gab David Ben Gurion, der dem Kibbuz Sede Boqer angehörte und dort ein Institut zur Erforschung des Negev gründete. Der Negev wird im Westen von der ägyptisch-israelischen Grenze und dem Gaza-Streifen, im Osten von der Arava-Senke und im Norden in etwa von der Linie Gaza - Ein Gedi begrenzt. Die größte Stadt ist Beer Sheva, die sich an der Grenze zwischen dem durch Bewässerung fruchtbar gewordenen Nordnegev und dem trockenen Negev befindet, und eine lange Geschichte bis in die kanaanitische Zeit aufweisen kann. Das jetzige Beer Sheva wurde allerdings erst wieder seit Anfang dieses Jahrhunderts aufgebaut. Im Norden ist das Land vorwiegend flach bis hügelig und wird von ausgetrockneten Flußtälern, den Wadis, durchzogen. Nach Süden hin steigt es an, wird bergig und stark zerklüftet. Typische Landschaftsformationen sind hier Schluchten und Krater, wie der Machtesh Ramon im Mittelteil des Negevs, an dessen nördlichem Rand sich die 1953 gegründete Bergarbeitersiedlung Mitzpe Ramon befindet. Im Südwesten schließt sich die Wüste Paran an und im Osten hin fällt es zur Arava-Senke ab, die dem syrisch-afrikanischen Grabensystem zugehört, wie auch der Jordan und das Tote Meer. Während der Zeit des britischen Mandats lebten etwa 12 000 Menschen im Negev. Davon waren 90 % Beduinen und der Rest vorwiegend jüdische Siedler. Heute sind es über 230 000 Menschen, davon 38 000 Beduinen. Meine Reise führte mich vom nördlichen Beginn des Negev nach Beer Sheba, zum Toten Meer, weiter nach Süden über Ein Avdat und die ehemalige Nabatäersiedlung Avdat nach Mitzpe Ramon, durch den Kraterbereich des Machtesh Ramon und bis in den südlichsten Zipfel Israels nach Eilat. Die Kapitel dieses Buchs zeigen meine in Bilder gebrachten Eindrücke dieser Reise und berichten in kurzen Texten über die verschiedenen Orte, die ich gesehen habe, und deren Besuch ich auch den Lesern meiner Publikation sehr empfehlen kann.